Jagen gehört zum natürlichen Verhaltensrepertoire von Hunden! Wildlebenden (Raub-)Tieren dient es zur Nahrungsbeschaffung und ist für sie lebensnotwendig. Dazu kommt, dass Jagdverhalten ein selbstbelohnendes Verhalten darstellt (wir reden ausdrücklich von "Jagdverhalten" und nicht von "Jagdtrieb" !)
Jagen ist eine erstklassige Verhaltenskette, die aus drei großen Sequenzen
- Appetenz
- Taxis
- Endverhalten
besteht (die sich ihrerseits je nach Rasse wiederum in kleinere Einzelsequenzen zerlegen lassen).
Diese selbstbelohnende Komponente ist durchaus sinnvoll!
Wölfe oder verwilderte Haushunde sind darauf angewiesen, sich Teile ihrer Nahrung zu "erjagen". Natürlich haben sie nicht bei jeder Jagd Erfolg und wenn alles nach dem Prinzip "Verhalten, welches nicht zum Erfolg führt, wird auf längere Sicht hin seltener und letztendlich eingestellt" funktionieren würde, müssten Wölfe oder andere Hunde und Hundeartige, die nur überleben können, wenn sie jagen gehen, irgendwann einmal damit aufhören - und verhungern.
Dadurch, dass sich jede einzelne kleine Komponente des Jagdverhaltens stets selber belohnt, wird das Überleben gesichert!
Verhaltensbiologie:
Das Jagdverhalten erfüllt das "Prinzip der doppelten Quantifizierung", das heißt:
- es gibt IMMER innere UND äußere auslösende Faktoren bzw. die innere Bereitschaft, nach äußeren Faktoren zu suchen
- diese inneren Faktoren können z.B. auch vom Ernährungszustand abhängen, ist bei unseren gut ernährten Haushunden jedoch nicht relevant.
- Natürlich spielt die Rasse eine Rolle und auch andere Faktoren, wie z.B. Stress
Wie schaut es mit dem "Trieb" aus?
- die Bezeichnung Trieb trifft es nicht wirklich. Ein Trieb setzt immer voraus, als wäre ALLES von innen motiviert und man unterstellt, dass dagegen nichts getan werden könnte. (Trifft ebenso auf den Beutetrieb, Schutztrieb usw. zu... biologisch gesehen, ist die Bezeichnung "Trieb" für diese Verhaltensweisen nicht korrekt. Ebenso ist es nicht richtig, dass es so etwas wie einen "Triebstau" geben könnte, der sich dann irgendwohin entladen müsste... )
- Eine korrektere Bezeichnung wäre "Handlungsbereitschaft". Handlungsbereit ist ein Hund, der (mehr oder weniger) bereit ist, ein bestimmtes Verhalten zu zeigen.
- Es gibt für den Hund durchaus die Möglichkeit zur freien Entscheidung!
Fazit:
Es gibt keinen Jagdtrieb, da nicht alle Elemente des Jagdverhaltens von innen gesteuert werden, sondern von einem auslösenden Reiz (Sicht, Fährte, Geräusch etc.) ausgelöst werden.
Jagdverhalten besteht aus mehreren aufeinanderfolgenden Sequenzen-> Handlungskette
bestimmte Bestandteile des Verhaltens werden von 1 Gen gesteuert -> erblich
alle Arbeitshunde (ALLE) beruhen auf einer Selektion des Beutefangverhaltens. Ausnehmen kann man unter Umständen Herdenschutzhunde und Schlittenhunde. Was aber nicht heißt, dass diese Hunde nicht jagen würden. Es hat lediglich bei der Selektion keine Rolle gespielt.
Zusammenfassend:
- Ein "Trieb" ist von innen gesteuert und braucht keinerlei Anstoß im Außen, um ins Laufen zu kommen.
- Gegen einen Trieb kann NICHTS gemacht werden. Hätten die Hunde einen Jagdtrieb, könnten wir niemals damit arbeiten, z.B. den Hund dazu bringen, dass er sich dafür entscheidet, lieber mit uns weiterzugehen, nachdem er der verlockenden Spur ein paar Meter nachgehen durfte.
Verhalten braucht einen äußeren Anstoß. Also irgendetwas im Außen, was das Verhalten auslöst.
Ohne eine läufige Hündin in der Gegend, würde das Sexualverhalten des Rüden nicht angeschoben werden.
Ohne eine Wildfährte/den Anblick von Wild usw. würde das Jagdverhalten nicht angeschoben werden. Was ja auch wirklich Sinn macht. Würde ein wild lebender Hund (oder Wolf) permanent im Dauerjagd"trieb" stehen, würde er soviel Energie verblasen, dass er, wenn es darauf ankommt, nicht mehr genug davon zur Verfügung hätte, um erfolgreich zu jagen.
Nun gibt es Hunde, die stehen draußen unter Dauerstrom. Bei "Nasenhunden" ist das oft kein Wunder, wenn man doch permanent von vielen verlockenden Gerüchen, die das Jagdverhalten anstoßen, umgeben ist. Bei Sichtjägern (wie auch Hütehunden) ist ein übersteigertes "Suchen" nach etwas Jagdbarem oft ein Zeichen von Überforderung. Solche Hunde bauen durch das Hetzen oft Stress ab und fangen, sind sie gelangweilt oder gestresst, oft an, die Gegend abzusuchen. Da reicht oft schon ein Knacken im Unterholz, damit sie das Hetzen starten.
Einfach den Hund beobachten, wenn er diese Problematik zeigt. Vielleicht hatte er schon Erlebnisse oder Begegnungen, die Stress oder Überforderung in ihm ausgelöst haben.
Hier sollte man erst an den Stressauslösern arbeiten, bevor man alles in die Kiste "der jagt" steckt. Und auch das hat nichts mit "Trieb" zu tun. Eher mit einer vom Hund erwählten Strategie mit seinen "Problemen" klar zu kommen. Ich habe auch schon oft "Nasenhunde" im Training gehabt, die sich, wenn sie überfordert, unsicher, aufgeregt oder in einer ähnlichen Situation befunden haben, sich in ihre Nasenwelt gestürzt haben. Sind die Hunde auf einer Fährte, dann blenden sie alle anderen Sinnesorgane aus. Kennt jeder. Wenn man ein spannendes Buch liest oder vertieft auf Facebook liest und schreibt, kann der anwesende mit uns lebende Zweibeiner uns erzählen, was er will, wir bekommen zwar oft mit, dass da was gesagt worden ist, jedoch oft nicht WAS. Übersteigertes Suchen nach Fährten oder anderen Spuren, Mauselöchern usw. kann also durchaus eine Strategie des Hundes sein, seine - in dem Moment - überfordernde Außenwelt einfach auszublenden.
Hier wäre mein Ansatz, bevor ich ins gemeinsame Jagen gehe, ebenso wie bei den "Stresshetzern" erst mal alles runterfahren und nach den Auslösern der Überforderung/Unsicherheit usw. zu suchen. Hier kann man zum Beispiel Selbstbewusstsein des Hundes stärken, indem man ihm gezielt Fährten legt, diese zusammen absucht und immer ein Erfolgserlebnis für den Hund hat. Futterbeutel verstecken oder ähnliches. Auch ruhiges Loben und Bewundern, welches Ulli in ihrem Buch so schön beschreibt und immer wieder erwähnt, geben dem Wauz Sicherheit und Selbstwert.
Deswegen ist es so wichtig, dass man am Anfang besonders aufgeregte Hunde nicht wie irre auf Fährten rumhippeln und zappeln lässt, die vielen Pausen macht, immer wieder aufs Runterkommen achtet und eben im Zweifelsfall alles ganz, ganz kleinschrittig macht. UND immer schön freundlich bleiben, bewundernd und in Verbindung. Das gibt Ruhe und Selbstsicherheit.