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Schnee, Eis und die Hundenase

Also ich finde Schneeflocken ja faszinierend. Oder Eiskristalle. Wunderbare Formen und verzaubernde Muster. So ein Kristall hat viele sich verästelnde Arme. Im Vergleich zu einem Wassermolekül eine x-Fache Oberfläche. Auf dieser großen Oberfläche haben Abermillionen Geruchsmoleküle Platz. Bedingt durch die niedrige Temperatur, den winterlichen Luftdruck und die Rauheit des Kristalls haften Gerüche um ein Vielfaches länger, als auf einem sommerlichen oder herbstlichen Wasser- oder Tautropfen. Im Sommer sind die Gerüche zwar kurzfristig stärker und intensiver wahrnehmbar (sogar manchmal für uns Geruchslegastheniker Mensch), aber die Verfallszeit ist durch die hohen Temperaturen um einiges kürzer. Im Winter sind Gerüche aus all diesen Gründen quasi “konserviert” und viel länger riechbar.

So kommt es, dass sich mancher Hundebesitzer bei fallenden Temperaturen, dem ersten Schnee oder dem ersten Morgenfrost wundert, dass sein Hund sehr viel mehr mit der Nase an bestimmten Stellen klebt bzw. sogar an solchen Plätzen in einen Riechflash verfällt, die bislang eher uninteressant erschienen sind.

Für unsere Vierbeiner beginnt eine spannende Jahreszeit (abgesehen davon, dass es für manche Hunde einfach toll ist, im Schnee zu toben, sich darin zu wälzen und mit dem Kopf einzutauchen…), in der sie sehr viel mehr wahrnehmen können und das auch noch länger. Wenn es über eine spannende Schnüffelstelle schneit und der Schnee taut nach Wochen wieder etwas, ist der Geruch, der darunter war, immer noch riechbar. Zwar nicht mehr sooo intensiv, aber dennoch vorhanden. So kommt der Faktor “Zeit” noch sehr viel stärker dazu.

So ist zum Beispiel die Chance für Fährtenläufer, Mantrailer und Rettungshunde sehr viel größer auch nach sehr langer Zeit noch Geruchspartikel erschnüffeln zu können – und die Chance vermisste Menschen zu finden/bergen steigt um ein Vielfaches.

 

Was bedeutet das für uns Hundehalter?

 

Zum Einen sollten wir unseren Hunden einfach den Spaß gönnen und sie an spannenden Stellen länger als sonst schnüffeln lassen. Wie wichtig dieses “soziale Abchecken” der Umwelt ist, wissen wir ja mittlerweile gut genug ;-)

Das ist wie bei uns Mädels wenn wir plötzlich in einem großen neuen Kaufhaus sind. Da wollen wir auch schauen, obwohl es da nix andres gibt, als anderswo und werden gestresst, wenn uns jemand partout weiterschleppen will … Für Männer kann man sich da ja einen Elektrofachhandel vorstellen *schmunzel*

Zum Anderen können diejenigen, die bereits Nasenarbeit mit ihren Hunden praktizieren, dieses für sich ausnutzen indem sie z.B. eine Fährte legen und diese erst einige Tage später mit ihrem Hund arbeiten.

Leckerchen verschwinden auch schön unter der Schneeoberfläche, wenn man sie schräg reinpfeffert … so freut sich Jasko immer unglaublich, wenn er dem “Kanal” welches das Futterstückchen durch den Schnee schlägt, mit der Nase verfolgen kann. Vieeel spannender, als ein Leckerchen nur einfach so in der Wiese im Gras zu suchen. Denn da riechts ja am meisten, wo es liegt. Nicht so im Schnee :-)

 

Spannend für Mensch und Hund – die “Schneezeitung” … oder “Schnee-News”

 

Der erste Schnee ist über Nacht gefallen und bedeckt den Boden flächig. Es ist Sonntagmorgen gegen 9 Uhr.

Ich sitze in der Küche, trinke meinen Kaffee, esse mein Müsli und blättere in der Samstagsausgabe der regionalen Tageszeitung. Da steht ja immer besonders viel drin. Und es gibt die nette Sonderbeilage. Also mehr zu lesen als sonst.

Jasko sitzt schon erwartungsvoll neben mir. Aufmerksame Blog-Leser wissen ja, dass wir Sonntags unseren speziellen Spaziergang haben. Nicht viel reden, nicht viel tun, gemeinsam laufen, die Umwelt und sich selber wahrnehmen.

Ich schlage die Zeitung zu, leere meine Tasse, ziehe meine Winterstiefel an und freue mich auf den ersten Schneespaziergang des Jahres.

 

Jaskos erster Gang ist immer – ich traue mich es kaum zu sagen – das Kruzifix am kleinen Wäldchen gegenüber. Hier schnüffelt er immer besonders intensiv und – ja, er hebt das Bein. Vermutlich ist er nicht katholisch…

Ich sehe, dass schon mindestens vier Rüden vor ihm da waren, die in adäquater Höhe ihren Morgengruß dagelassen haben. Doch so viele? Da wir hier kaum jemanden treffen, war mir das so gar nicht bewusst…

 

Wir gehen weiter und Jasko verschwindet mit der Nase hinter einem Schneebedeckten Stein. An dem Stein schnuppert er seit einiger Zeit immer sehr gerne. Da wird wohl Rose gelaufen sein – seine kleine Aussiefreundin aus der Nachbarschaft. Ich schaue hin und entdecke Mausespuren, die sich kreisförmig vom Stein weg und zu ihm hin bewegen. Und da entdecke ich auch ein kleines Loch! Da lag ich also die ganze Zeit falsch! Es hat sich wohl eine Mausefamilie unter dem Stein ihr Winterquartier eingerichtet :-)

 

Wir gehen den Weg weiter und Jasko hat plötzlich die Nase am Boden und legt an Tempo zu. “Bestimmt ein Hase” denke ich. Weit gefehlt! Kleine Hundespuren schlängeln sich den Weg entlang. Und daneben Fußspuren mit starkem Profil und kleinen Löchern. Moment, die Nachbarin ist schlecht zu Fuß und hat mir ezählt, dass sie, sobald Schnee liegt und die Wege komisch werden, Spikes überzieht… DAS muss dann also die Frau Nachbarin gewesen sein und die Hundespuren passen zu Gina, ihrer kleinen Hündin!

Die Spuren gehen nach rechts weg, Jasko und ich laufen geradeaus weiter in Richtung Futterplatz. Eine Menge Rehspuren führen an diese Stelle. Jasko ist vollkommen unbeeindruckt. Aha… Rehspuren interessieren ihn also genau so wenig, wie die Hasenfährte, die uns gekreutzt hat… Das ist gut zu wissen!

Dafür findet er die Spur einer Katze, die wohl des Nachts auf Mäusejagd war, umso spannender …

 

Jasko und ich haben an diesem Sonntag beide unsere Zeitung – die besonders dicke Ausgabe davon – gelesen. Beide sind wir nun informierter als vorher. Ich sogar doppelt!

Der Schnee hat mir gezeigt, was mir normalerweise verborgen bleibt. Nämlich das, was Jasko so alles erschnüffelt und für was er sich besonders interessiert. Winter ist einfach eine spannende und lehrreiche Jahreszeit für jeden von uns….

Nehmen Sie sich einfach einmal die Zeit und erforschen Sie zusammen mit Ihrem Hund die Umgebung. Lernen Sie, was ihn interessiert, was ihn aufregt, woran er Freude hat und was er “sieht”.

 

Ich wünsche Ihnen eine geruhsame, lehrreiche, spannende und erfüllende Winterzeit!

 

(c)Sabine Wöhner, November 2013

 


Fährten und Spuren als PDF vom deutschen Jagdveband HIER