Folgende Punkte findet man häufig unter „Problemverhalten“:
- Der Hund jagt
- Der Hund lässt niemanden ins Haus/Grundstück
- Der Hund zeigt Aggression gegenüber Artgenossen
1. Der Hund jagt
Achso?? Ein Hund, der jagt ist also ein „Problemhund“? Hm… ohne die Fähigkeit zu Jagen hätte es der Hund wohl kaum in unsere heutige Zeit geschafft – da er schlicht nicht überlebt hätte… Jagen ist ein hochgradig sich selbstbelohnendes Verhalten (und zwar jede einzelne Sequenz!!) – und das ist gut so. Würde sich jede einzelne Jagdsequenz nicht ständig und stark selber belohnen, auch bei Nichterfolg, würde das Verhalten „Jagen“ bei häufiger Erfolglosigkeit weniger gezeigt werden. Dies darf aber nie passieren – denn sonst verhungert der Hund. Jagen ist also ein zutiefst genetisch verankertes Überlebensprogramm unserer Hunde. Dabei spielt es keine Rolle, ob daheim ein gut gefüllter Napf steht oder nicht. Oft im Gegenteil – denn durch den guten Ernährungs- und Gesundheitsstatus unserer Hunde haben diese oft erst die Energie zu „erfolgloser Jagd“ oder zu „sinnloser Hetzerei“. Ein Hund, der jagt um nicht zu verhungern beschränkt sich oft auf das Jagen von Kleinsäugern und dem Plündern von Mülltonnen, anstatt die ohnehin nicht zur Verfügung stehende Energie bei einer erfolglosen Hetzjagd auf große oder sehr schnelle Beutetiere zu verschwenden.2. Der Hund verteidigt sein Revier
… was auch durchaus sinnvoll für ihn ist. Hunden ist es quasi in die Wiege gelegt, dass sie den Bereich, der ihnen und ihren engsten Sozialpartnern vorbehalten ist, notfalls verteidigen. Zumindest aber „Störungen“ (Leute auf dem Grundstück, am Zaun, an der Haustür usw.) melden, damit sich derjenige, der dafür zuständig ist, die Umgebung zu sichern, gewarnt und informiert ist. Auch das sichert die Sicherheit und unter Umständen das Überleben der Gruppe. Isso! Jahrelang wurden Hunde einzig zu diesem Zweck gezüchtet und gehalten (Bauernhöfe, größere Anwesen, Schutz von Schaf- oder Viehherden usw.) – und nun plötzlich ist dies ein Problemverhalten? Achso.3. Der Hund zeigt Aggression gegenüber Artgenossen
… dabei haben wir doch alle die rosarote Vorstellung, dass unser vierbeiniges Kind sich mit anderen vierbeinigen Kindern in totaler Harmonie im ausgelassenen Spiel dem Sonnenuntergang entgegenspielt… was läuft hier schief? Eigentlich gar nichts. In freier Wildbahn, bei ursprünglichen Hunderassen, bei Wölfen und auch in Gruppen von verwilderten Haushunden ist Spiel unter Erwachsenen nicht üblich. Auch werden fremde erwachsene Artgenossen – manchmal sehr unsanft und deutlich – vom eigenen Rudel ferngehalten. Nun sind unsere Haushunde vom Verhalten eher so wie junge Wölfe – also quasi werden sie oft nicht richtig erwachsen und autark – deswegen kommen sie in der Regel auch relativ gut miteinander klar. Aber eben nicht alle. Natürlich spielen hier auch Vorerfahrungen, schlechte Erlebnisse in der Vergangenheit und die individuelle Persönlichkeit dazu – aber wenn man unter dem Strich davon ausgeht, dass dieses eigentlich ganz normales Verhalten ist, kommt man als Hundehalter vielleicht besser damit klar. Hier finde ich es besonders absurd, dass man Artgenossenaggression oft mittels Gewalt, aversiver Trainingsmethoden (Sidekick, Leinenruck, Wasserspritzen, Anrempeln usw.) Unterdrückung oder bestenfalls Unterordnung „in den Griff“ bekommen möchte. Das ist nicht nötig. Viel zielführender ist es hier, dem Hund Lösungsstrategien zu zeigen (oder noch besser: Selber erarbeiten zu lassen), dass dieses Verhalten nicht nötig ist.
Fazit:
Ein Hund verhält sich wie ein Hund – und so, wie es ihn belohnt. Und all die „NEINS“, die man vielerorts hört, sind strenggenommen „Neins“ zum Hund an sich.
- Hund will jagen – NEIN
- Hund bellt andere Hunde an – NEIN
- Hund macht seinen Job und meldet Eindringlinge – NEIN
- Hund will gefundenes Essen fressen – NEIN (wobei hier ein gutes Training, damit der Hund gefundenes Fressen liegenlässt oder anzeigt und ein positiv aufgebauter, gut sitzender Abbruch durchaus sinnvoll da lebensrettend, sein kann)